Um Produkte verkaufen und Gewinne steigern zu können, bedienen sich Wirtschaftsunternehmen des Rates von Fachleuten der Werbe- und Marketingbranche. Natürlich ist es für eine Firma sehr naheliegend, der Frage nachzugehen, wer an welchem Ort die hergestellten Produkte kaufen würde.
Diese Frage wird indes auf zweierlei Weise gestellt, nämlich in Bezug auf die Grundbedürfnisse (wie viele Hosen werden in einer bestimmten Region am Beginn einer Jahreszeit vermutlich gebraucht) oder auf das Konsumverhalten (welche Menschengruppe neigt zu einem bestimmten Zeitpunkt dazu, Hosen zu kaufen). Während sich die erste Fragestellung mit klaren Bedürfnissen beschäftigt, deren Befriedigung notwendig ist, eröffnet die zweite Fragestellung den Blick auf mögliche Mehrverbräuche, die sich ereignen können, wenn und solange ein Konsumbedürfnis und das nötige Kleingeld vorhanden sind. Während Grundbedürfnisse unumgänglich sind, lässt sich das Konsumverhalten in jede beliebige Richtung manipulieren. Bezogen auf den Konsum von Textilien sind wir in den reichen Ländern mittlerweile auf einem Level angelangt, das einem schier den Atem verschlagen kann.
Mittlerweile kommen 95 Prozent der in Deutschland verkauften Textilien aus Billiglohnländern. Das bedeutet allerdings auch, dass zum Beispiel chinesische Firmen „Enklaven“ auf europäischen Böden eingerichtet haben. Ganze Industriegebiete wurden und werden angemietet, um chinesische Arbeiterinnen und Arbeiter, etwa in den Niederlanden, zu absoluten Billiglöhnen und unter unwürdigen Bedingungen ausbeuten zu können. Die ausgelagerte Produktion bedient entweder direkt den europäischen Markt oder den Export nach China, wo die von Chinesen mit aus China importierten Maschinen und Ausgangsmaterialien in den Niederlanden hergestellten Textilien als „Made in Europe“ zu Preisen verkauft werden, die weit über den landesüblichen Preisen für heimische Produktionen liegen.
In den reichen Ländern verbrauchen die Menschen pro Kopf etwa zwölf Kilogramm Kleidung pro Jahr. Damit ist nicht etwa vor allem der Verschleiß gemeint, sondern der Wechsel von Kleidungsstücken aus Gründen der Mode. Allein in Deutschland beläuft sich der Berg ausrangierter Kleider jedes Jahr auf ein Gewicht von insgesamt 560.000 Tonnen. Davon wiederum die Hälfte wird nicht in den Zyklus der Weiterverwertung gegeben, sondern landet stattdessen geradewegs im Hausmüll. Ein solches Verhalten kann sich nur leisten, wer über Geld nicht sonderlich nachdenken muss. Weit über die Grundbedürfnisse hinaus wird konsumiert – die Textilien sind nur ein Beispiel dafür. Und dieser gewaltige Warenfluss von den Fabriken, durch die Läden und Kleiderschränke in die Mülltonnen ist einer, an dem kräftig Geld gescheffelt wird.
In einem riesigen Billigsektor kämpfen große Discounter, europaweit oder sogar global aufgestellt, um die Gunst der zahlungsbereiten Kundschaft. Die Waffe in diesem Kampf ist dabei stets der Preis. Mittlerweile sind die Anteile an den Lohnkosten an den Endverkaufspreisen fast aller Verbrauchsgüter so niedrig, dass es nur noch wenige Länder gibt, in denen produziert werden kann, was bei den Discountern über die Theken geht. In diesen Ländern regiert die Armut das Leben. An Menschen, die zu Billigstlöhnen arbeiten, besteht dort kein Mangel. Der Effekt unseres Konsumverhaltens bringt zuerst eine Armut hervor, die die davon betroffenen Menschen in Situationen bringt, die den allgemeinen Menschenrechten klar widersprechen. Auf diese Weise entstehen Anfälligkeiten, die aus der Not geboren sind: Jede, ausnahmslos jede, Gelegenheit wird dann irgendwann genutzt, um wenigstens ein wenig Geld verdienen zu können – egal womit.
Überhaupt ist es eklatant, wie unterschiedlich Einkommen und Vermögen weltweit verteilt sind. Während das durchschnittliche Einkommen in Deutschland bei rund 30.000 Euro je Arbeitnehmer und Jahr liegt, versuchen weltweit 1,4 Milliarden Menschen mit weniger als einem Dollar und weitere 2,5 Milliarden Menschen mit weniger als zwei Dollar pro Tag zu überleben. Zusammen befinden sich also 3,9 Milliarden Menschen (also mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung) in bitterster Armut. Demgegenüber hat sich die Zahl der Milliardäre in den Jahren von 1996 bis 2006 weltweit auf die Zahl von 946 (1996: 423) mehr als verdoppelt. Nachdem die Zahl der Milliardäre bis 2008 auf 1.125 Menschen gestiegen war, sank sie aufgrund der weltweiten Krise schließlich auf 793 mit einem geschätzten Gesamtvermögen von 2.400 Milliarden Dollar. Allein die zehn reichsten Menschen der Welt vereinen ein Vermögen von etwa 350 Milliarden Dollar auf sich.