Dass sich in der Welt nicht genügend zum Guten verändert, beklagen viele. Diese Auffassung ist prinzipiell sehr verständlich und nachvollziehbar. Allerdings bleibt zu fragen, woher jemand weiß, was denn das Gute überhaupt ist.
Oft gilt, dass der Maßstab dafür in vielem liegt, was jemand gelesen, gehört oder gelernt hat. Aus all dem lässt sich ableiten, inwiefern etwas erfolgreich, hilfreich, fördernd oder was auch immer ist – jedenfalls sieht das der überwiegende Teil der Menschen so. Ebenfalls wird aus dem allgemein Üblichen abgeleitet, was zu Veränderungen führen könnte. Auch diesbezüglich gibt es einen Mainstream, der die Meinung der allermeisten Menschen beeinflusst. Für nur sehr wenige Menschen gilt, dass sie aus ihrem eigenen Erleben heraus zu einer individuellen Auffassung davon gekommen sind, was das Gute ist und die aufgrund persönlicher Einschätzung und Einsicht Methoden dafür entwickelt haben, die Welt im Sinne des Guten zu verändern.
Wenn aus einem winzigen Samenkorn eine stattliche Pflanze wächst, geschieht das, weil das Samenkorn gar nicht anders kann, als zu eben genau dieser Pflanze zu werden. Aus Möhrensaat wird kein Kohlrabi wachsen. Um das Wachstum einer Pflanze zu ermöglichen, wirkt die ganze Natur in ihrem Habitat zusammen. Alle vorhandenen Kräfte werden durch das Samenkorn auf das Ziel hin konzentriert, Möhre zu werden. Können Sie sich (wirklich) vorstellen, dass das so auch für uns Menschen gilt? Wenn ja, sind Sie schon ein ganzes Stück weit fortgeschritten und gehören auf jeden Fall zu der Minderheit, die bei sich selbst anfängt, wenn nach dem Wissen vom Guten und nach Methoden für eine Wandlung der Welt gesucht wird.
Wann ist der Mensch ein Mensch?
Ein ganz großer Unterschied zwischen einer Möhre und einem Menschen besteht darin, dass wir Menschen dazu in der Lage sind, über unser Sein und Werden zu reflektieren. Hinzu kommt, dass wir aus freien Stücken zu handeln vermögen. Das ist für sich genommen großartig, wenn da nicht viele Einflüsse wären, die die Freiheit unserer Individualität untergraben wollen. Schon in der Schule lernen die meisten Menschen, dass sie seelisch-geistig nicht frei, sondern bis in die tiefsten Ebenen hinein determiniert sind. Bewusstsein wird als bio-chemischer Prozess des Zufalls erklärt und die eigenen Erfahrungen werden als „nur subjektiv“ denunziert. Hinzu kommt, dass der Mensch an sich bei jeder Gelegenheit schlecht gemacht wird, indem behauptet wird, dass alle Eigenschaften, die zu dem Furcht erregenden, folgenreichen Umgang der Menschengemeinschaft mit der Erde geführt haben, typisch für unsere Art seien. Wer das alles glaubt, wird nur wenig davon überzeugt sein, dass es uns Menschen gelingen könnte, die Entwicklung in Richtung des Guten zu lenken.
Wir sind als Menschen in eine Situation geraten, die vor allem durch das Existenzielle und zu wenig durch das Essenzielle bestimmt wird. Faktisch ist es mittlerweile soweit gekommen, dass wir vergessen haben, was wir als Menschen überhaupt sind. Im übertragenen Sinne ist es, als habe die Saat ihre Keimkraft verloren.
Jeder von uns kann problemlos zahllose Gründe dafür anführen, warum man den Menschen als nicht besonders kluges, vielleicht sogar als sehr dummes Wesen bezeichnen könnte. Diese Gründe bringt „man“ uns ja auch tagtäglich immer wieder bei. Gibt es überhaupt noch Gründe dafür, sagen zu können, dass eigentlich jeder Mensch aus sich selbst heraus weiß, was dem Leben dienlich ist? Und wenn ja, wie ließe sich dieses Wissen verstärken? Diese beiden Fragen sind die wichtigsten überhaupt!
Es gibt viele Einflüsse, die uns daran hindern wollen, genau diese beiden Fragen zu beantworten. Es geht um nicht weniger als um den freien Menschen, der sich als Glied der Natur, also der Mitwelt versteht und in seinem Leben auf Erden für die ganze Lebewesenwelt Sinnvolles zustande bringt!
Zurück zur Möhre. Die Möhre ist dann eine Möhre, wenn sie in ihrem Umkreis Möhre sein darf. Das gleiche gilt auch für uns Menschen: Wir sind dann ein Mensch, wenn man uns in unserem Umkreis Mensch sein lässt. Unser Umkreis ist idealiter kein anderer, als es der für die Möhre auch ist. Wir sind Wesen der Natur! Angesichts der vorherrschenden Lebensverhältnisse wissen die allermeisten Menschen gar nicht mehr, was das ist. Natur erleben sie allenfalls noch als Kulisse, als das Grün, dass draußen vorbei rauscht, während man mit dem Zug von der Arbeit nach hause fährt oder als dunkle Ahnung von Äckern, auf denen die Lebensmittel gereift sind, die im Kühlschrank liegen oder in den Konserven schwimmen. Von einem wirklichen Erleben der Natur sind wir Menschen oft weit entfernt – und damit von dem Umkreis, in dem wir Menschen Mensch sein können und sollen.
Die Folge davon ist, dass wir zum Beispiel wichtige Signale unseres Unterbewussten gar nicht bemerken – geschweige denn verstehen – , die uns in die Lage versetzen könnten, aus eigener Einsicht zu wissen, was dem Leben dienlich ist. Wir haben gewissermaßen die Orientierung verloren, sind nicht mehr genügend im Menschlich-Essenziellen verankert – und die Dinge nehmen ihren verhängnisvollen Verlauf.