Die Fülle der für den allgemeinen Konsum angebotenen Waren wächst und wächst. Von allem und jedem gibt es zahllose Variationen für jeden Geschmack. Es geht dabei längst nicht mehr nur um das, was der Mensch zum Leben braucht, sondern darum, was die Erfinder und Lenker der endlosen Warenströme haben wollen. Dafür wird immer mehr zur Ware gemacht.
„Die Vorstellungskraft des Marktes ist unermesslich. Wie ein Kuckuck nistest er sich in alles ein, was kostenlos ist. Er vertreibt Menschen, versieht das Kostenlose mit einem Stempel, mit einem Logo, einer Marke, einem Preisschild und verkauft es weiter.“ (Bernard Maris „Antimanuel d`économie“, Paris 2006)
Dabei ist die Triebfeder in diesen Entwicklungen immer die gleiche.
„Mit welchen Ausdrücken man ihn auch bemäntelt – Rendite (return on equity), Aktionärswert (shareholder value) -, mit welchem Mittel auch immer man versucht, ihn zu erhalten, indem man unerbittlich die Kosten drückt (cost killing, down sizing), Gesetze erzwingt, die einen perfiden Eigentumsbegriff ermöglichen (zum Beispiel Patente auf Lebewesen), oder Monopole errichtet (Microsoft), immer geht es um Profit, den Motor der Marktwirtschaft und des Kapitalismus in all seinen Spielarten. Diese Jagd nach Profit um jeden Preis wird durch die Ausdehnung von Produktion, Konsum und Kostensenkungen ermöglicht. Die neuen Helden unserer Zeit sind die cost killers, jene Manager, um die sich die multinationalen Konzerne reißen und denen sie dicke Aktienpakete, Boni und goldene Fallschirme bieten. […] In jedem Kapitalisten, jedem Kapitalgeber, auch in jedem Homo oeconomicus (und das sind wir letztlich alle), steckt auch ein gewöhnlicher „Krimineller“, der sich mehr oder weniger mit der „ökonomischen Banalität des Bösen“, einverstanden erklärt.“ (Serge Latouche „Es reicht! Abrechnung mit dem Wachstumswahn“, München 2015)
Für jeden Menschen gibt es Maßstäbe für das individuelle Genug. Der eine Mensch wird schneller satt als ein anderer. Auch im „nice to have“-Bereich sind die Bedürfnisse verschieden. Die einen vergehen z.B. förmlich vor Glück nach erreichtem Besitz einer Erstausgabe von Emersons „Essays“, die anderen können damit absolut nichts anfangen. Solche feinen Unterschiede machen den Kohl nicht fett. Einigermaßen verrückt wird es aber, wenn wir uns verdeutlichen, wie arglos in Fülle von Wenigen auch dann noch konsumiert wird, wenn die Bäuche längst schon gefüllt sind. Während sich verhältnismäßig wenige Menschen am Genuss teurer Spezereien laben, darben die meisten Menschen auf Erden im Hunger. Ich war erstaunt, als mir ein amerikanischer Millionär erklärte, dass er für das Heizen des Swimmingpools im Sommer mehr Energie verbraucht, als zum Heizen seiner Wohnung im Winter. Was drückt sich in diesem Missverhältnis aus?
Systembedingt darf es von allem nie genug sein, denn die auf Zinsen und Zinseszinsen basierende Wirtschaft muss unaufhörlich wachsen. Diese Eigenschaft macht unser derzeit vorherrschendes Wirtschaftssystem sterbenskrank. Die infauste Prognose wurde schon von vielen Ökonomen gestellt, Uneinigkeit besteht nur noch darin, wie viel Überlebenszeit noch bleibt. Wohlgemerkt ist die erkrankte Wirtschaft von uns Menschen selbst geschaffen. Seit den ersten Anfängen der durch Geld bestimmten Wirtschaft hat sich ihr Gesundheitszustand immer mehr verschlechtert. Mittlerweile ist das Werkzeug des Wirtschaftens selbst zur Ware geworden. Schlimmer konnte es nicht mehr kommen.
Der österreichische Ökonom Raimund Dietz beschreibt vornehm wie Tausch und Geld als Spezifikum der Ökonomie des Menschen im eigentlichen Sinne miteinander zusammenhängen:
„Ist der Tausch die Basisoperation einer freien Bürgergesellschaft, ist das Geld ihr Medium. Geld entsteht gleichsam aus dem Tauschen in der Gesellschaft, und indem es als eigener Körper – ekstatisch – heraussteht, macht es Tauschen möglich. Geld ist der konzentrierte Ausdruck der Wechselbeziehungen der Menschen – in Simmels (Anm. pk: Georg Simmel (1858 – 1918) in „Philosophie des Geldes“, München 2013) Worten: die Verkörperung der Tauschrelation. Tausch (als Operation) und Geld (als Medium) bilden einen evolutionären Zirkel, der in der Natur meines Wissens keine Parallele hat.“ (Raimund Dietz „Geld und Schuld“, Marburg 2013)
Von dieser Leben tragenden Funktion haben wir das Geld durch die Art unseres Umgangs mit ihm weit entfernt. Die Folgen zeichnen sich allerorten unübersehbar ab.